die Vorstellung

bestimmt unser Verhalten 😉
Sie stänkerte. Dennoch habe ich sie –
Weil sie käuflich war – gekauft.
Und habe, vielleicht aus Ironie,
Sie „Mucker“ getauft.

Ich riss ihr gierig mit rauher Hand
Die einzelnen Kleider herunter,
Zunächst ein leichtes Flittergewand,
Dann anderen, gröberen Plunder.

Und Rock und Röckchen nach Röckchen fiel
Herab. Ich riss und zerfetzte
Mit Wollust. Ich wollte – das war mein Ziel –
Das Nackte, das Wahre, das Letzte.

Doch immer, wenn ich das rosige Glück
Der Nacktheit zu schauen vermeinte,
Kam wieder noch irgend ein Kleidungsstück.
Ich wütete weiter, ich weinte.

Doch als ich sie völlig enthemdet
Hatte, blieb nichts, restlos nichts.
Und in dieses Nichts bohrt befremdet
Der Stachel meines Gedichts.

Jedoch erübrigt sich jede Kritik,
jeder Kommentar,
Weil die, von der ich hier rede,
Eine Zwiebel war.
(„Lustmord“ von Joachim Ringelnatz)

Recht hattest du ?

– das will nicht viel bedeuten.
Nur was du wirktest, reicht in alle Ewigkeiten.
(Arthur Schnitzler)
Zwei Mönche stritten über einen Lehrtext.
Jeder der Beiden bestand darauf, dass er Recht habe,
und bezeichnete die Meinung des Anderen als falsch.
Bis einer der Beiden sagte:
„Ich frage den Meister, er soll darüber entscheiden“.

Somit ging er zum Meister,
der gerade von einem dritten Mönch den Kopf rasiert bekam.
Er fragte den Ehrwürdigen Meister:
„Ich hatte eben Streit mit meinem Bruder.“
Er zitierte die zugrunde liegende Textstelle und teilte seine Interpretation mit.
„Mein Bruder dagegen behauptet, ich sei im Irrtum.“
und trug auch die Meinung seines Bruders vor.
Dann fragte er den Meister:
„Meister, wer von uns Beiden hat denn nun Recht?“

Der Meister sagte: „Du hast Recht.“

Erfreut ging dieser Mönch nun zu seinem Bruder und erzählte ihm davon.
Dieser wiederum lief sofort zum Meister und beschwerte sich:
„Ehrwürdiger Meister, das kann doch wohl nicht stimmen!
Ich berufe mich auf den Kommentar eines großen Lehrers und soll mich irren?“

Der Meister sagte: „Du hast Recht.“

Der dritte Mönche, der dem Meister noch immer den Schädel rasierte und das Ganze miterlebte, war sehr wahrheitsliebend und sagte:
„Meister, ehrwürdiger Meister, wie kannst du sagen, beiden haben Recht?!
Entweder hat nur der Eine oder Andere recht!“

Der Meister sah ihn lächelnd an und sagte: „Auch Du hast Recht.“

(Buddhistische Anekdote)